ein Essay
Wenn der Pessimist davon ausgeht, dass die Öffentlichkeit bereits tot ist, dann wird er wohl ein besonders positives Erlebnis haben, sollte sie es doch nicht sein.
Die Sache mit dem Pessimismus ist die: es ist natürlich auch eine Art ist wie man durch das Leben gehen kann. Allain de Botton sagte einmal: „Im Pessimismus liegt die Kraft“. Recht hat er. Der Pessimist lebt wohl länger als der Optimist. So würde der Pessimist, aus Angst vor einem Angriff wilder Waldbewohner, und hier ist anzumerken, dass der Pessimist ja fest von diesem Angriff ausgeht, kaum sein am Waldrand befindliches Haus verlassen, ohne sich dabei zu bewaffnen. Eine gute Strategie, sollte es tatsächlich zu dem hinterhältigen Angriff der Waldbewohner, Füchse, Hasen, Bären kommen.
Die Psychologie behauptete auch lange, dass Pessimisten dafür nicht so glücklich leben würden wie Optimisten. Eventuell lebten Optimisten demnach zwar nicht so lange, aber dafür glücklich. Ein Fehlschluss: die eigentlich glücklicheren sind die Pessimisten. Ihre Erwartungen an Situationen sind niedrig, sie malen sich das negativste Ende aus und erleben das größte Erfolgserlebnis, wenn weder das negative Ende erzielt wurde, sondern sogar noch die niedrigsten Erwartungen übertroffen wurden. Die Erwartungen des Optimisten jedoch, sind schwerlich zu toppen. Also, wer ist hier wohl glücklicher? Der Pessimist, der in jeder Situation positiv überrascht wird, oder der Optimist, der in jeder Situation enttäuscht wird?
So ist der Pessimismus wohl auch die bessere Strategie zur Überlegung ob die Öffentlichkeit bereits tot sei. Denn für den Pessimisten ist klar, ja das ist sie. Denn „wen wollen wir denn noch erreichen“? Die öffentliche Meinung ist ja bereits versunken in einem tiefen Graben, gegraben aus vielen Einzelmeinungen von vielen Personen mit vielen verschiedenen Meinungen. Viele Einzelmeinungen, viele Schaufeln, und keine demokratische Abstimmung mehr, welche Meinung denn nun zählt. Tot sind die Kompromisse, Tot die meinungsbildenden Massenmedien, Tot die freie Meinungsäußerung.
Und doch: die Öffentlichkeit ist nicht tot. Sie wurde generalsaniert und hat an Gewicht zugenommen.
Die eine, große und bedeutende Öffentlichkeit ist sowieso nur der Glaube an eine Utopie. Eine Utopie die so nie existiert hat. Wie war das denn „früher“? Es gab eine Zeitung mit einer Meinung und hinter den großen Blättern wurde getuschelt und im geheimen Kämmerchen wurden Einzelmeinungen getauscht und getuschelt. Ist das Demokratie? Wohl kaum.
Demokratie zeichnet sich nicht nur durch Kompromisse aus, sie zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es in der Demokratie erlaubt und gewünscht und geduldet und gern gesehen ist die freie Meinung zu äußern. Lauter als in einer Demokratie ist es wohl kaum möglich die freie Meinung zu sagen. Ob sie gut oder schlecht, angebracht oder nicht ist, das entscheidet dann immer noch die Masse. So wie damals die Zeitung. Die Masse fasst die Meinungen auf und zusammen und so entsteht eine Grundmeinung zu einem Thema, über welches aber in der neuen Öffentlichkeit frei und laut und oft gesprochen werden kann. Gehört wird nicht mehr nur der Lautestete, der Größte, gehört wird vor allem der Mutige, der sich traut, unbekannten Gesichtern in neuen Medien seine Meinung zu Themen ins Gesicht zu brüllen! Und ob diese Meinung angenommen wird oder nicht entscheidet das große Ganze. Die Gesellschaft. Demokratisch.
„Die Gesellschaft zerspringt zu Interessensgruppen“, „ein gemeinsamer Strang ist verschwunden“. So lautete es in einem Podcast. Doch das ist doch bitte nichts Neues. Journalismus früher hat doch auch mit der Zeitung, dem Radio, dem TV-Programm diesen „gemeinsamen Strang“ nicht hinbekommen. Immer schon revoltierte die Jugend gegen die Erwachsenen. Alleine schon dieser Generationenkonflikt zieht definitiv nicht am gleichen Strang und ist aber auch „diese Öffentlichkeit“. Ob sich die Jugend in den 60er Jahren für die freie Liebe eingesetzte haben oder die Jugend im 21. Jhd. für ein besseres Klima einsetzen, ist doch das Gleiche: Jung gegen Alt, wie das immer schon der Fall war. Und dann haben sich früher wie heute innerhalb dieser Gruppen wieder Interessensgruppen gebildet: unter den Älteren die die Jungend unterstützen und denjenigen die sich dagegen entrüsten und unter den Jugendlichen die den Aufruhr blöd finden und denen die mit Herzblut dabei sind. Die Gesellschaft zerspringt also nicht zu Interessensgruppen, sie besteht daraus! Immer schon.
Also ist der Pessimismus hier vielleicht dennoch keine schlechte Strategie, denn davon auszugehen, dass die Öffentlichkeit bereits tot ist, führt ja nur wieder dazu, dass die Erkenntnis darüber, dass sie immer weiter wächst und lauter wird, den Pessimisten in seinem langen und glücklichen Leben ein weiteres Mal ein Erfolgserlebnis bringt.
aus dem Seminar „Allgemeine Pädagogik (Urteilskraft, Aufklärung, Gemeinsinn – Grundlagen ethischer & politischer Bildung)
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Antonia
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Über mich
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