September

Hell, dunkel, hell, dunkel. Licht, Schatten, Licht, Schatten. Ich schließe meine Augen und atme tief ein. Der Fahrtwind kitzelt meine Wimpern, spielt um mein Gesicht. Ich rieche den Wald, das Moos, den leicht feuchten Boden. Licht, Schatten, hell, dunkel – tanzt es vor meinen geschlossenen Augen. Ich öffne sie und schaue in die bunten Bäume. Der Sommer ist vorüber, es „herbstelt“. Man spürt es im Wind, der kühler ist als die sommerliche Brise, im Schatten, dass die Sonne an Kraft verliert, und man erkennt es mit jedem bunten Blatt.

Und wie ein letzter heißer Tag an den Sommer erinnert, kommt auch mir eine letzte Erinnerung an Sommer meiner Kindheit in den Sinn. Plötzlich sitze ich neben meiner Mama in ihrem alten Mazda. Aus dem Radio klingen Oldies, wir haben auf der Autobahn mitgesungen und getanzt. Bei der letzten Raststätte gab es für das Auto Benzin und für mich einen Lutscher. Eine alte Tradition quasi.
Wir fahren den Waldweg hinunter zum Wallersee. Ich rieche den leicht modrigen Geruch des Waldes, der so nah am Wasser steht, und kann die Wasseroberfläche schon glitzern sehen. Tage voller Spaß im Wasser mit Kolleginnen und Kollegen meiner Mutter und deren Kindern, Geschichten und Fachsimpeleien über die Beatles mit einem ganz besonderen Freund am Ufer, Kaffee und Kuchen von den Salzburgern, die am Wochenende vorbeikommen, und Abende vor dem alten Fernseher mit „Liebesg’schichten und Heiratssachen“. Ich höre uns Kinder noch lachen, als die Erinnerung verfliegt.

Ich sitze wieder neben meinem Partner, er schaut zu mir rüber und lächelt.

Hell, dunkel, Licht, Schatten, Licht. Wir sind aus dem Wald hinausgefahren und wieder auf heller Straße. Die Erinnerung verblasst endgültig.

Etwas später parken wir das Auto in unserer Einfahrt. Ich werfe einen Blick in den Garten. Alles erledigt, alles getan?
Der Sommer verging wie ein Blinzeln, wie eine Erinnerung zog er vorbei. Wunderschön, aber viel zu schnell. Und jetzt ist er da, der September. Noch wenige offene Erledigungen, finale Entscheidungen, und dann kommt der Tag, auf den wir so lange hingearbeitet haben. Das große Finale des Sommers. Die Vorfreude wächst, aber auch die Aufregung. Wie wird es sein, wie wird es werden?

Ich schließe meine Augen und denke: Es wird so sein, wie es immer sein sollte. Wundervoll und fantastisch. In wenigen Wochen wird es eine unglaubliche Erinnerung sein. Jedes Lied von diesem Tag, jeder mitfeiernde, mitfiebernde Mensch und jeder Duft wird unabhängig von den Fotos an diesen Tag erinnern. Eine Hand umspielt meine Hüfte, ein Kuss auf der Wange holt mich zurück. Wir bleiben noch einen Moment in der abendlichen Sonne stehen, bevor wir ein letztes Mal unseren Hochzeitstanz einüben.

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Antonia

Über mich

Ich bin Antonia.

Seit, naja eigentlich schon immer, schreibe ich Texte sämtlicher Art.

Immer schon sind mir Geschichten eingefallen die ich dann, sobald ich schreiben konnte, sofort niedergeschrieben habe. Ich freue mich diese Geschichten, Texte, Experimente oder was auch immer mir gerade einfällt mit euch zu teilen!