Karussell

Das Riesenrad, Mama, der Zuckerwattestand, Leere, das Riesenrad, Mama, der Zuckerwattestand, Leere, das Riesenrad, Mama, der Zuckerwattestand, ein Mann mit einer unheimlichen Maske, das Riesenrad, Mama, der Zuckerwattestand, Leere, das Riesenrad, Mama, der Zuckerwattestand, Leere und das Karussell wird langsamer das Riesenrad … Mama der ich winke und sie winkt zurück, der Zuckerwattestand … Leere und das Karussell hält an. Ich steige vom Pferdchen ab und laufe zu meiner Mama. Ich bin verwirrt, habe ich tatsächlich einen Mann mit einer Maske gesehen oder bilde ich mir das ein? Ich habe ein bisschen Angst. „Willst du Hufeisen werfen?“, fragt mich Mama. Ich nicke und sie nimmt mich an der Hand. Wir spazieren über die nasse Wiese des Kirtages. Die vielen bunten Lichter, die überall an den Karussellen und Fahrgestellen leuchten und blinken blenden mich. Die Luft duftet nach Zuckerwatte und ist erfüllt von fröhlichem Kindergeschrei. Es ist mir ein bisschen zu laut, ich fühle mich nicht ganz wohl hier. „Eine Sternschnuppe!“, ruft Mama plötzlich, bleibt stehen und zeigt in den Himmel. Ich blicke nach oben und sehe noch einen kleinen Teil des Schweifes der Sternschnuppe. Wir blicken wieder nach unten und da steht er: der Mann mit der unheimlichen Maske. Direkt vor mir und starrt mich an. Ich schreie auf, doch Mama scheint den Mann nicht zu sehen. „Was ist? Was hast du?!“, fragt sie erschrocken. Ich starre sie an, der Mann war verschwunden. „Ich will nach Hause“, sage ich mit weinerliche Stimme und fange an zu weinen. Sie nimmt mich auf den Arm und tragt mich nach Hause. Ich schaue über ihre Schulter und da steht er wieder, dieser Mann mit einer unheimlichen Maske. Er winkt mir zu und ich vergrabe meinen Kopf in Mamas Nacken. 

Als ich wieder aufblicke liege ich zu Hause im Bett. Meine Zähne wurden geputzt und ich trage meinen Pyjama. „War wohl zu viel Aufregung für dich, mein Schatz“, sagt Mama und küsst mich auf die Stirn. Ich nicke und drücke meinen Teddy näher an mich ran. „Soll ich dein Nachtlicht einschalten?“ Ich nicke wieder. Und mein Nachtlicht beginnt sich zu drehen. An meiner Wand spielen die Schatten: ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche… rund herum in meinem kleinen Raum sehe ich die Schatten die sich drehen. Ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, der Mann, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, der Mann, ich schreie. Und Mama kommt ins Zimmer gelaufen und fragt mich: „Was ist denn passiert?“ Ich starre auf die Schatten, die sich unbeirrt in einem Zimmer weiterdrehen. Ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche. Kein Mann. Ich schweige. Meine Mama schaut mich mit einem komischen Gesicht an. „Ich bleibe bei dir bis du schläfst, ok?“ Ich nicke und Mama wickelt mich ein bisschen fester in meine Decke. Den Teddy fest an mich gedrückt und Mamas Gewicht in meinem Bett spürend, schließe ich die Augen und schlafe ein. Als ich wieder die Augen öffne ist Mama weg. In meinem Zimmer bin nur noch ich und das Nachtlicht spendet die Schatten: ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche. Ich bin müde und schließe meine Augen. Als ich spüre, dass sich jemand wieder an mein Bett gesetzt hat, glaube ich es ist Mama und öffne meine Augen. Aber da ist nicht Mama. Der Mann mit der unheimlichen Maske sitzt an meinem Bett, mir ganz nahe. Ich schreie wieder. Doch Mama hört mich nicht gleich, ich glaube sie schläft. Also schreie ich weiter. Bis Mama zu mir gerannt kommt. Sie schaut ängstlich aus. Ich weine und erzähle Mama, dass ein Mann in meinem Bett gesessen hat und eine unheimliche Maske getragen hat. Schluchzend trägt mich Mama zu ihr ins Bett.

Ich wache auf und liege in meinem Zimmer. Es ist kalt vor dem Fenster, es sind ein paar Monate vergangen. Den Mann habe ich immer mal wieder gesehen. Mein Nachtlicht spielt wieder die Schatten an der Wand: ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche. Ich warte auf den Mann. Ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche, ein Pferdchen, eine Kutsche. Er kommt nicht. Nicht diese Nacht. Ich schieße meine Augen und schlafe ein. 

Ich blicke auf und sitze am Tisch. Ich bin älter geworden und esse mein Müsli. Mein Schulrucksack steht neben der Tür. Ich bin ein Schulkind. Ich esse auf, gehe ins Bad und wasche mein Gesicht. Ich schließe die Augen und spüre das lauwarme Wasser auf meinen Wangen. 

Ich blicke auf und stehe vorm Waschbecken in der Schultoilette. „Kommst du?“, ruft meine Freundin. Ich gehe hinaus und wir laufen auf den Spielplatz. Wir stellen uns auf das Karussell und beginnen uns zu drehen. Ein Baum, die Schaukel, ein Baum, die Rutsche, ein Busch, ein Baum, die Schaukel, ein Baum, die Rutsche, ein Busch, ein Baum, die Schaukel auf der der unheimliche Mann sitzt, ein Baum, die Rutsche, ein Busch, ein Baum, die Schaukel bewegt sich, ein Baum, die Rutsche, ein Busch, ein Baum, die Schaukel bewegt sich, ein Baum, die Rutsche, ein Busch, ich versuche das Karussell zu stoppen. Ich möchte mich nicht mehr drehen. Doch wir sind noch zu schnell und die Umgebung dreht sich: ein Baum, die Schaukel, ein Baum, die Rutsche, ein Busch, ein Baum, die Schaukel, ein Baum, die Rutsche, ein Busch, ein Baum, die Schaukel, ein Baum, die Rutsche, ein Busch. Wir werden endlich langsamer und alles um uns hört langsam auf sich zu drehen: ein Baum, … die Schaukel, die sich nicht mehr bewegt, … ein Baum, …die Rutsche, …ein Busch. Wir bleiben stehen und ich blicke zur Schaukel. Da ist niemand. Ich drehe mich um meine eigene Achse und blicke um mich herum. Niemand da. Meine Freundin läuft zur Schaukel, setzt sich drauf und fängt zu schaukeln an. Ich spüre, dass hinter mir jemand steht. Langsam drehe ich mich um und: da steht er. Der Mann mit der unheimlichen Maske. Ich schreie auf und laufe weg. Meine Freundin ruft mich, doch ich laufe weiter. In die Schule hinein und werde von meiner Lehrerin gestoppt. Sie ist besorgt. Meine Mama holt mich ab. Sie setzt mich ins Auto und schießt die Tür. Ich schaue in den Rückspiegel und sehe wie Mama besorgt schaut. 

Als ich wieder aus dem Fenster schaue ist die Schule verschwunden. Wir sind auf dem Weg zu meinem Termin. Dr. Shabola versichert mir, dass der Mann mit der unheimlichen Maske nur in meinem Kopf lebt. Wir sprechen sehr viel miteinander. Ich öffne die Tür und trete hinaus. 

Plötzlich bin ich zwölf. Das war das letzte Gespräch mit Dr. Shabola und der unheimliche Mann ist nicht mehr aufgetaucht. Ich habe ihn schon fast vergessen. Die Jahre vergehen und ich bin 18. Meine Mama leiht mir das Auto, zum ersten Mal. Ich darf zu meiner Freundin fahren, wir werden Popcorn und Süßes essen und einen Horrorfilm anschauen. Es ist Halloween. Ich fahre auf der dunklen unheimlichen Straße entlang, außer mir ist niemand auf der Straße. Neben mir zieht die Umgebung vorbei: ein Baum, ein Baum, ein Baum, ein Schild, ein Baum, ein Baum, ein Baum, ein Schild, ein Baum, ein Baum, ein Baum, ein Baum, ein Mann, ein Baum. Ich schrecke zusammen und blicke in den Rückspiegel. Der Mann ist verschwunden. Sicherlich habe ich mich getäuscht. Als ich wieder auf die Straße blicke steht er direkt vor mir. Der Mann mit der unheimlichen Maske. Meine Scheinwerfen strahlen ihn grell an. Seine Maske sieht aus wie ein zerschnittenes Gesicht, seine Kleidung ist zerfetzt. Ich trete mit voller Kraft auf die Bremse und bleibe nach kurzer Zeit ruckartig stehen. Mein Atem und mein Herz rasen. Er ist wieder verschwunden. Habe ich ihn überfahren? Ich bleibe noch einige Sekunden voller Angst im Wagen. Ich zittere. Langsam öffne ich meine Tür und trete hinaus. Doch vor meinem Auto und daneben ist niemand. Kein Kratzer an meinem Auto. Die Straße ist leer, Nebel liegt über dem Asphalt, die Nacht ist kalt und in der Luft liegt unheimliche Stille. Ich steige wieder ein und verschließe die Tür. Ich zittere stark und atme schnell. Ein Blick in den Rückspiegel: nichts. Ein Blick nach vorne: nichts. Ich starte das Auto und fahr langsam los. Alles was ich will ist endlich anzukommen. Zu weit um umzukehren, meine Freundin noch 5 Minuten von mir entfernt. Mein Auto nimmt wieder an Geschwindigkeit zu. Die Umgebung zieht an mir vorbei: ein Baum, ein Baum, ein Schild, ein Baum, ein Baum, ein Baum, ein Schild, ein Baum, ein Baum, ein Baum, ein Baum, ein Baum, ein Schild, ein Baum, ein Baum, ein Baum, ein Schild, ein Baum, ein Baum, ein Baum, ein Autowrack. Ich fahre vorbei, blicke in den Rückspiegel und sehe es immer noch. Das Wrack. Ich bremse und stoppe am Straßenrand. Wieder zittere ich, spüre mein Herz rasen und meinen schnellen Atem. Ich greife nach meinem Handy. Meine Angst ist mittlerweile so stark, dass ich weine. Mit zitternden Knien gehe ich langsam zum Wrack. Den Notruf habe ich schon gewählt, es klingelt. Als jemand abhebt stottere ich: „d-da, i-ist e-ein Unfall, ein Unfall, b-bitte sie sie müssen jemanden, schicken sie b-bitte jemanden…“ Sie bittet mich um den Aufenthaltsort. Ich gebe ihr alle Informationen. „Bleiben Sie bitte dran und sehen sie nach ob sich eine Person im Auto befindet“, sagt die Dame am anderen Ende der Leitung. Ich nähere mich dem Wrack. Die Windschutzscheibe ist zersplittert, das Auto hat einen Baum gerammt und ist vollkommen zerbeult. Die Airbags sind geöffnet und das Seitenfenster ist kaputt. Ich blicke durch das Fenster. Und ich schreie so laut ich kann: da sitzt er auf dem Fahrersitz. Der Mann mit der unheimlichen Maske, die sein Gesicht ist! 

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Antonia

Über mich

Ich bin Antonia.

Seit, naja eigentlich schon immer, schreibe ich Texte sämtlicher Art.

Immer schon sind mir Geschichten eingefallen die ich dann, sobald ich schreiben konnte, sofort niedergeschrieben habe. Ich freue mich diese Geschichten, Texte, Experimente oder was auch immer mir gerade einfällt mit euch zu teilen!