Da sitzt er, der Arme. Wenn er wüsste, dass heute sein letzter Tag auf Erden sein wird, dann würde er bestimmt etwas anderes tun als fern zu sehen. Aber das kann Johannes natürlich nicht wissen. Du aber, mein lieber Leser, weißt es. Spätestens am Ende dieser Seite wirst du wissen, dass Johannes nicht mehr viele Stunden bleiben. Du wirst das wissen, weil ich es dir sagen werde. Johannes sitzt jetzt noch selig und zufrieden in seinem Lehnstuhl und schaut sich das Glücksrad an. Er hält seine Bierflasche in der einen und die Fernbedienung in der anderen Hand. Noch lächelt er und befiehlt den Menschen im Flimmerkasten, welche Wörter sie zu erraten haben. In absehbarer Zeit wird es ein Geräusch aus der Küche geben. Das Küchenfenster wird eingeschlagen werden. Johannes wird dieses Geräusch zu seinem Unglück nicht hören, denn sein Fernseher ist viel zu laut aufgedreht. Dieses Geräusch, das Einschlagen des Fensters, wird ein verhüllter Mann verursacht haben. Ein zukünftiger Mörder. Dieser verhüllte Mann wird dann das Messer aus dem Messerblock von der Kücheninsel in die handschuhtragende rechte Hand nehmen und sich leisen Schrittes von der Küche in Richtung Wohnzimmer bewegen. Der Verbindungsgang zwischen Küche und Wohnzimmer wird dunkel sein, denn die Glühbirne wird wenige Sekunden nach dem Einbruch zufällig kaputt gehen. Der verhüllte Mann wird sich dann leisen Schrittes durch den dunklen, engen Gang bewegen. Er wird anschließend kurz vor der Wohnzimmertür, die ein Stück offen steht, inne halten und durch den Spalt blicken. Er wird Johannes in seinem Sessel vorfinden und ihn fluchen hören. Der Kandidat wird nämlich den Tipp von Johannes, logischerweise, nicht hören und somit verspielen. Der zukünftige Mörder wird dann leise die Tür öffnen und eintreten. Da Johannes mit dem Rücken zur Tür sitzt, wird dieser den Einbrecher nicht bemerken. Er wird ganz ruhig in seinem Sessel verbluten, denn der Mörder wird das Messer in seiner Hand bereithalten, sich Johannes von hinten nähern und mit einem schnellen Schnitt die Kehle durchtrennen. Dann wird er das blutverschmierte Messer einfach fallen lassen, zufrieden grinsen und schnellen Schrittes den Tatort verlassen. Aber all das ahnt Johannes natürlich noch nicht. Dieser nimmt genüsslich einen Schluck aus der Bierdose und schüttelt den Kopf. Was hören die denn nicht einfach auf mich?, wird er sich noch denken, ehe seine Kehle durchtrennt und warmes Blut seinen Körper hinablaufen wird. Du siehst, lieber Leser, wir sind noch nicht einmal am Ende dieser Seite angelangt und du bist schon Zeuge eines Mordes. Du weißt, im Gegensatz zum armen, unwissenden Johannes, dass dessen letztes Stündchen schon geschlagen hat. Wer der Mörder gewesen sein wird, weißt du zwar jetzt noch genauso wenig wie es Johannes je erfahren wird, aber du weißt immerhin, dass die Rede von Mord sein wird. Jetzt wäre ein guter Moment Johannes noch zu warnen. Ihm noch zu sagen, dass er die Polizei rufen oder sich verstecken soll. Es wäre auch noch Zeit den Einbrecher und anschließenden Mörder abzufangen und ihn zu vertreiben. Aber du, mein lieber Leser, bist nur ein stummer Zeuge einer fürchterlichen Tat, die in einer Geschichte passiert, auf welche du keinerlei Einfluss hast. Du wirst Wort für Wort lesen und das Unheil immer näher kommen sehen und nichts dagegen machen können. Natürlich könntest du diese Geschichte nun einfach wieder weglegen und aufhören weiter zu lesen, aber dann wirst du nie erfahren, durch wessen Hand Johannes gestorben ist und aus welchem Grund Johannes sein Leben lassen musste. Du wirst dann Wissender einer Tat aber Unwissender des Motivs bleiben. Ich bin mir sicher, du liest diese Geschichte gerade weiter. Also werde ich dich nicht enttäuschen und für dich, denn ich denke, mein lieber Leser, dass du jetzt, zu Recht, ein wenig verwirrt sein wirst, noch einmal zum Anfang dieser Seite zurückkehren und mit der Geschichte fortfahren: Da sitzt er, der Arme. Wenn er wüsste, dass heute sein letzter Tag auf Erden sein wird, dann würde er bestimmt etwas anderen tun als fern zu sehen. Johannes sitzt jetzt noch selig und zufrieden in seinem Lehnstuhl und schaut sich das Glücksrad an. Er hält seine Bierflasche in der einen und die Fernbedienung in der anderen Hand…
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Antonia
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Über mich
Ich bin Antonia.
Seit, naja eigentlich schon immer, schreibe ich Texte sämtlicher Art.
Immer schon sind mir Geschichten eingefallen die ich dann, sobald ich schreiben konnte, sofort niedergeschrieben habe. Ich freue mich diese Geschichten, Texte, Experimente oder was auch immer mir gerade einfällt mit euch zu teilen!
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